„Brücken bauen“ – „Mósty twariś“
Hohen Besuch darf das kleine Dorf Dissen/Dešno am 17. Oktober begrüßen: Die Jury der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung, welche seit 1990 im Zwei-Jahres-Rhythmus den Wettbewerb um den Europäischen Dorferneuerungspreis durchführt. 2022 steht dieser unter dem Motto „Brücken bauen“.
Dissen-Striesow/Dešno-Strjažow. Als Gewinner einer Goldmedaille im Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ 2019 darf Dissen/Dešno das Land Brandenburg im Wettbewerb um den Europäischen Dorferneuerungspreis unter dem Motto „Brücken bauen“ vertreten. 21 Teilnehmer aus ebenso vielen Regionen aus zwölf verschiedenen Staaten nehmen in diesem Jahr am Wettbewerb teil, darunter fünf aus Deutschland.
„Wir fühlen uns geehrt, dass uns das Brandenburg für die Teilnahme an diesem wichtigen europäischen Wettbewerb vorgeschlagen hat“, erklärt Bürgermeister Fred Kaiser.
Dissen/Dešno, seit 2001 ein Ortsteil der Gemeinde Dissen-Striesow/Dešno-Strjažow, hat in den vergangenen drei Jahrzehnten eine großartige Entwicklung genommen. Mit der politischen Wende haben sich Menschen gefunden, die couragiert und voller Elan, mit Eigeninitiative und Gemeinschaftssinn die Entwicklung ihres Dorfes vorangetrieben haben. 1989/90 war Dissen ein kleines, landwirtschaftlich geprägtes Dorf mit nicht einmal 500 Einwohner*innen. Heute leben hier rund 658 Menschen.
Mit dem Heimatmuseum, heute eine der führenden musealen Einrichtungen im Landkreis und in der Niederlausitz mit jährlich mehr als 12.000 Gästen, dem Bekenntnis zu den sorbischen/wendischen Wurzeln und der Fachwerkkirche (Bibelsprüche in deutscher und wendischer Sprache sowie florale Deckenmalerei) hatte Dissen/Dešno mehrere Pfunde, mit denen es wuchern konnte. Diese Potenziale wurden genutzt und weiterentwickelt, wie z. B. der frühmittelalterliche, slawische Siedlungsausschnitt „Stary lud“ zeigt. Die Renaturierung der Spreeaue durch das Bergbauunternehmen Vattenfall, als Ausgleichmaßnahme für die Inanspruchnahme des Teichgebietes Lakoma für den Tagebau Cottbus-Nord, wurde ebenso als Chance ergriffen.
Zudem ist es der Gemeinde Dissen-Striesow/Dešno-Strjažow seit Jahrzehnten ein besonderes Anliegen, die vorhandene historische Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen. In der DDR jahrzehntelang vernachlässigt, war die Infrastruktur zu Beginn der 90er Jahre völlig marode. Aufgrund dessen hatten auch die Einwohner*innen nur das Nötigste in ihre Höfe investiert. Diese Stagnation ist aus heutiger Sicht ein Glücksfall, sind dadurch doch die historische Bausubstanz mit den prägenden Torhaushöfen und die Dorfstruktur, verglichen mit der ältesten erhaltenen Flurkarte von 1774, weitgehend erhalten geblieben.
Dissen/Dešno sanierte ab Anfang der 90er Jahre nahezu alle Straßen und Wege und investierte in für das Dorf wichtige Einrichtungen wie Sportlerheim, Multisportanlage, Jugendraum und Friedhofshalle. Einzelne Projekte wurden über Dorferneuerungsprogamme durch Bund, Land und EU gefördert und vom Landkreis unterstützt. Die kommunalen Investitionen zogen privates Engagement nach sich. Viele Grundstückseigentümer haben ihre oft mehr als 100 Jahre alten, ehemaligen Bauernhöfe liebevoll saniert. Und auch die Gemeinde Dissen-Striesow/Dešno-Strjažow packte in den vergangenen Jahren noch einmal an, kaufte und sanierte zwei alte Bauernhöfe und hauchte ihnen mit Hilfe von Vereinen neues Leben ein: der heutige Spreeauenhof sowie der Feuerwehrhof „Tylcyc“.
Bei einem vierstündigen Vor-Ort-Termin in Dissen/Dešno wird sich die dreiköpfige Jury am 17. Oktober selbst ein Bild machen. Die international und interdisziplinär besetzte Jury der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung hatte Anfang September im Rahmen von zwei Online-Meetings mit dem mehrstufigen Bewertungs-Vorgang begonnen. Die Mitglieder der Wettbewerbsjury besichtigen in diesen nächsten Wochen in Kleingruppen alle teilnehmenden Orte, ehe im Zuge einer weiteren Bewertungssitzung im Spätherbst/Winter 2022 die Entscheidung fällt. Die Preisverleihung wird im Mai 2023 im Siegerort von 2020, der Gemeindeallianz Hofheimer Land, Bayern, Deutschland, stattfinden, teilte die ARGE in einer Pressemitteilung mit.
Bild zur Meldung: 2021 wurde der ehemalige Bauernhof als Feuerwehrhof „Tylcyc“, so der alte wendische Hofname, wiederbelebt. (Foto: Enrico Kaiser)